Schicksale
Familien berichten
Wir sind selsbt betroffen - Beitrag einer Mutter
"Wir sind selbst betroffen, von dem Mangel an Therapien im Burgenland.
Mein Sohn Alfred[1], hat eine Infantile Zerebralparese, die Beine sind bilateral spastisch und er braucht eigentlich 3x die Woche Physiotherapie.
Ich finde es im Burgenland ganz schlimm, da es nicht einmal ein Ambulatorium, wie in Niederösterreich oder Wien z.B den Vkkj gibt. Obwohl es da auch nicht besser läuft da diese auch überfüllt sind und wir schon gar nicht rein kommen.
Ja es gibt im Burgenland "Rettet das Kind" und wir haben einen ganz tollen Therapeuten mit sehr viel Erfahrung, das Problem ist das er so gut wie alleine ist und auch zusätzlich Organisatorisches erledigen muss. Somit fallen oft Therapien aus.
Es gibt keine Zusammenarbeit mit Ärzten, Orthopäden, nicht einmal eine Rezeption oder Sekretariat! Es kommt daher oft nur einmal die Woche zur Therapie, sonst fahren wir privat noch wo hin, was pro Einheit 85€ kostet.
Aber egal ob Kassa oder Privat, es gibt einfach generell zu wenige Kindertherapeuten oder Therapiezentren. Ich habe z.B. 8 Monate auf einen Reha Platz für meinen Sohn warten müssen!
Für die Ergotherapie, warte ich seit letzten Dezember auf einen Platz!
Auch therapeutische Schuhe bekommen wir nur einmal im Jahr bezahlt, außer bei einem Wachstum. Im Winter muss ich mir dann immer was überlegen, was ich über die Sandalen drüber geben kann! Das finde ich auch sehr traurig.
Sonst muss ich sagen, hat die Krankenkasse bis jetzt alle Hilfsmitteln ( Stehständer, Nachtlangerungsschienen usw) übernommen, aber mein Sohn ist auch erst 2 1/2 da kommen sicher noch größere Kosten und Anschaffungen auf uns zu.
Ich bin sehr froh, diese Seite über unsere Moki Unterstützungerhalten zu haben. Danke das es euch gibt und ich unterstütze gerne mit!! Dankeschön."
[1] Name geändert
Beitrag einer Mutter zu besserbehandelt.at
"Bei diesem Thema geht mir viel durch den Kopf als pflegende Mama einer 15 Jährigen im Rolli, nonverbal, mehrfach schwer behindert.
Nicht nur die medizinische Komponente, auch gerade die Sensibilisierung des Krankenhauspersonals bezüglich ihres Verhalten ist mir ein Anliegen. Wie behandle ich nonverbale Kinder? Wie begegne ich einem Kind im Rolli? Wie kommuniziere ich mit Eltern? Kommentiere ich die Schritte, die ich am kleinen Patienten vollbringen muss/soll??
Medizinischer Alltag
Wir betreten die Ambulanz, wir melden uns an und warten. Bei einem schwerbehinderten Kind mit autistischen Zügen ein Graus, aber ja- muss wohl sein. Es gibt Ambulanzen, da wartet man bis zu 6 Stunden. Meine Tochter ist sehr ungeduldig, schlägt sich, weint- oft schlägt sie sich blutig. Aber wir müssen warten, denn es gibt nicht viele Ärzte, die sich auf Epilepsie spezialisiert haben und jeder kann sich die Privatordination mit Preisen bis zu 400 Euro nicht leisten. Dann endlich- wir werden aufgerufen, die Ärztin begrüßt mich, aber nicht mein Kind. Sie redet mit mir, aber nicht mit meinem Kind. Gestresst wirkt die Ärztin auch, hört kaum zu, ich hätte da einige Fragen bezüglich Wechselwirkung der Medikamente. Denn inzwischen wir das vierte Medikament verschrieben. Warum nicht mal eines weglassen und ein anderes einschleichen? Man traut sich kaum fragen, manchmal fühl ich mich ausgeliefert, interessiert sich WIRKLICH wer für mein Kind?? Ich fühle mich als Versuchskaninchen, ich spüre Hilflosigkeit, die ich natürlich nicht ansprechen will. Blut soll abgenommen werden, es sind inzwischen 4 Menschen im Raum, ich sage, bitte ich muss meine Tochter auf den Stich vorbereiten, sie versteht alles, kann sich nur nicht ausdrücken. Wir haben da unser Ritual, damit sie nicht weint. Ja- das kann ich ja machen, bitte sagt mir wenn ihr zustecht- ja sicher, noch immer redet keiner mit meiner Tochter, irgendwie wie eine Nummer- wünschenswert wäre mehr Kommunikation, z.B. eine Kommunikationstafel – Ausbildungen wie geht man mit unseren Kindern um, Licht dämmen, ruhig reden bei Autisten.
Wenn es an die Grenzen geht
Wirbelsäulen OP- Privatordination, da wird man gehört. Im KH dann wieder durchwachsen. Wir werden aufgenommen, keiner hat mir klar gemacht, dass ich 2 Tage nach der OP ein „Intensivkind“ ins Zimmer bekomme, ein Spritzenbaum mit 7 Spritzen, ich muss alle 1 bis 2 Stunden aufstehen, den Vor-Alarm ausschalten, dann nach 5 min der Alarm, die Schwester rufen, das geht 2 Nächte so, ich dreh fast durch, mein Kind erbricht sich laufend, ich wurde nicht vorbereitet auf diese Zeit, auf den Schlafentzug. Meine Tochter darf nicht aufsitzen, ich befürchte immer, dass sie am Erbrochenen erstickt. Für das Personal ist dies alles normal, haben es ja alle 2 Wochen, aber ich mache dies das erste Mal durch, es kommt hin und wieder ein Arzt, ich vermute es ist einer, weil er weiß trägt, keiner stellt sich vor. Dieses Piepsen habe ich heute noch im Kopf. Ohne Entlastung, ohne Hilfe- ein Horror!!! Ab dem 3 Tag wird es leichter, da sich die Spannen des Alarms vergrößern, es sind nur mehr 4 Spritzen. Irgendwann kam ein Traumatologe, auch ohne Vorstellung, wie soll ich erahnen, dass er Arzt ist, er sah auch sehr jung aus. Manchmal hab ich nicht geklingelt, um nicht zu lästig zu sein, aber diese Angst um mein Kind vergess ich nie
Mein Kind isst nichts, ein Horror für jede Mama, ich kann mein Kind nicht ernähren!!!! Ich fühl mich so alleine, denke nur an den Tag wenn wir zuhause sind. Den Chirurgen hab ich nicht mehr gesehen, nach dem Schneiden interessiert sich anscheinend keiner mehr für uns, als ich zuhause war und wieder in seine Privatordination ging, dann schon, was 120 Euro so ausmachen. Sorry, ironisch.
Es geht auch so Hannah war damals 4, sie wog 12 Kilo, ich hörte von einer tollen Ärztin in Graz. Uns drohte die PEG, ich wollte dies nicht, ein bisschen Normalität für mein Kind, das war mein Wunsch.
Dort angekommen wurden wir BEIDE toll begrüßt, die Ärztin ging in die Knie um meine Tochter auf Augenhöhe zu begrüßen, sie stellte sich mit Namen vor und HÖRTE wirklich zu, denn es ist das Schlimmste, sein Kind nicht ernähren zu können. Hannah wollte es schon immer nicht, dieses Reden über sie, sie gebärdete sich extrem. Diese Ärztin bat auf einmal ihre Sekretärin Hannah zu sich zu nehmen, denn sie hatte das Gefühl, dass Hannah das alles nicht hören wollte. Gesagt getan- und wir konnten alles gut besprechen. Hannah wiegt immer noch nicht viel, aber dank dieser Ärztin wurde ich bestätigt, dass mein Kind halt dünn sei aber nicht dürr und dass ich es ganz richtig machen- Danke an dieser Stelle"
Krankes Kind: Mobile Pflege nur am Papier
Auszug aus: https://tirol.orf.at/stories/3267903/
"Damit kranke Kinder zuhause statt stationär gepflegt werden können, bietet das Land eine Förderung. Doch die Bedingungen dafür sind so, dass diese kaum in Anspruch genommen werden kann, so die Kritik. Eine Familie mit einem schwerkranken Kind bleibt auf Kosten in der Höhe von rund 17.000 Euro sitzen.
Das Kind von Familie B. hat wegen eines seltenen Gendefekts multiple Beeinträchtigungen, Erbrechen, Bewegungsstörungen, Sehstörungen etc. Es ist in der höchsten Pflegestufe sieben eingestuft. Eines der schwerwiegendsten Symptome ist eine ausgeprägte Schlafstörung, mit laut Klinikbefund „mehreren nächtlichen Wach- und Schreiphasen, die sich auch unter medikamentöser Therapie nicht besserten“.
Die Familie, die das zweieinhalbjährige Kind daheim pflegt, hat seit dessen Geburt nicht oft durchgeschlafen. Wegen der Schwere der Symptome des Kindes – Erbrechen, Sondenernährung, Verbandwechsel, Medikamentenbedarf – kommt als Entlastung, egal ob untertags oder nachts, nur diplomiertes Personal in Frage.
Förderung: Individuell, aber nicht kostendeckend
Damit Kinder wie das der Familie B. nicht im Heim landen, gibt es explizit zur Entlastung für pflegende Angehörige eine finanzielle Förderung, die „spezialisierte Kurzzeitpflege zuhause“. Sie beträgt maximal 50 Euro pro Stunde, was nur einen Teil der realen Kosten von 76 Euro abdeckt. Wenn die Familie diese Förderung annimmt, bleibt für das heurige Jahr eine Kostendifferenz von mehr als 17.000 Euro übrig.
Unabhängig davon bestreitet die Familie aus den Mitteln der Hauskrankenpflege derzeit sechs Nachtdienste und ein paar Stunden Unterstützung untertags. Der Familie genügt das nicht, um für den strapaziösen Alltag mit dem Kind gerüstet zu sein. Der weitere Unterstützungsbedarf der Eltern – ein Elternteil kann pflegebedingt nicht mehr arbeiten – wird durch ein Schreiben der Kinderklinik bestätigt. Es attestiert ihnen, an der Belastbarkeitsgrenze angekommen zu sein und zusätzliche Unterstützung zu benötigen.
Land verweist auf Spendenfonds
Das Land argumentiert damit, dass die Kurzzeitpflege für vorübergehende Notsituationen gedacht sei. Jeder Fall werde individuell betrachtet und ein dafür bestes Angebot zusammengestellt. Für ein Interview hatte die zuständige Landesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) keine Zeit. Im Jahr 2023 hat laut Land Tirol nur eine Person diese Unterstützung beansprucht. Für die Entlastung Pflegender Angehöriger sei der Bund hauptverantwortlich, heißt es dazu in einem Statement der Presseabteilung des Landes.
Experten: Kinderkrankenpflege ist Armutsfalle
Von verschiedenen Seiten wird diese Form der Unterstützung kritisiert. Bei Curaplus, einem Dienstleister im Bereich mobile Pflege zuhause, hält man die Kinderkrankenpflege für eine Armutsfalle. Laut Geschäftsführer Michael Tesar „gibt es um 50 Euro am Markt nichts“, Familien nehmen diese Leistung dann nicht in Anspruch, weil die Differenz zu den realen Kosten zu hoch sei. Pflegewissenschafterin Ines Viertler vom Österr. Gesundheits- und Krankenpflegeverband sieht in diesem System die Angehörigen alleingelassen, Pflegestufe sieben habe man nicht ohne Grund.
Die Kinderfachärztin Eva Heinz-Erian vom Kinderpalliativteam der Klinik, die die Familie betreut, kennt mehrere vergleichbare Fälle, bei denen man sich „auch um die Eltern Sorgen machen“ und deren Hilferufe ernst nehmen müsse. Dass Härtefälle für Pflegeunterstützung um Spenden ansuchen sollen, sei nicht ideal, so Heinz-Erian. Genau das hat Familie B. jetzt gemacht."
Ulrike Finkenstedt, tirol.ORF.at
Gehörbeeinträchtigung mit Sprachverzögerung - die Suche nach Unterstützung
Familie wendet sich an Lobby4kids:
„Mein Sohn (fast 5 Jahre) hat eine Gehörbeeinträchtigung und braucht aufgrund seiner Sprachverzögerung und einer daraus resultierenden globalen Entwicklungsverzögerung täglich intensive Betreuung und Unterstützung im Lernprozess, um die Sprache zu erlernen. Ich versuche zurzeit Pflegegeld für ihn zu erhalten, damit ich ihn so gut wie möglich in seiner Entwicklung unterstützen kann und würde mich freuen über Tipps für den Pflegegeldantrag und ein bevorstehendes Begutachtungsgespräch beim Sozialministerium. Ich suche auch mehr Info zur Unterstützung seiner Sprachentwicklung und alternative medizinische Info zur Verbesserung / Sensibilisierung des Gehörs / Gehörtraining bei Gehörbeeinträchtigung durch eine virale Infektion“.
Diese Mutter schwebte sozusagen im freien Raum und hat keine Ahnung, was ihr alles zusteht, welche Arten von Therapien es gibt etc.
Es kamen 6 sehr hilfreiche Lösungsvorschläge zusammen auf der Homepage von Lobby for Kids, die ihr bisher niemand aus dem „System“ vermittelt hatte.
Kinderbetreuung Schmetterlingskind
Familie wendet sich an Lobby4kids:
„Unser Leben hat sich letztes Jahr komplett auf den Kopf gestellt. Wir haben eine Tochter bekommen, aber leider ist sie ein Schmetterlingskind. Das bedeutet, dass ihre Haut sehr zerbrechlich ist, jede Bewegung mit Bedacht passieren muss und sie alle paar Stunden medizinisch versorgt werden muss. Dazu wurde unser Hauskredit so teuer, dass wir beide nahezu Vollzeit arbeiten gehen müssten. Ich verzweifle an der Suche nach einer Lösung. Auch unsere Sozialarbeiterin und die Selbsthilfegruppe Debra hatten noch keine gute Idee. Sie in eine Krabbelgruppe geben ist extrem riskant (und fragwürdig, ob sich eine Gruppe bereit erklärt, sie aufzunehmen). Eine Tagesmutter schafft es vermutlich auch nicht. Am besten wäre es, wenn jemand herkommt und auf die Kleine Acht gibt. Gibt es derartige Möglichkeiten in Vorarlberg, die finanziell sinnvoll sind?
Aktuell haben wir Pflegestufe 1, wir haben diese Einstufung bereits angefochten. Entlastungsgutscheine haben wir noch keine, weil sie erst ab 2 Jahren ausgestellt werden. Natürlich könnten wir das Haus verkaufen, aber es steckt extrem viel Herzblut in ihm. Und wir würden unsere Tiere verlieren.“
Dieses Kind bekommt mit großer Wahrscheinlichkeit keinen Kindergartenplatz. Die Pflegestufe scheint auch zu niedrig, und das Wohnen am Land macht die Sache nicht einfacher. Sogar ein Hausverkauf ist angedacht...
Keine Infos durchs System
Frage auf Homepage von Lobby4kids.
„Liebe L4K Gemeinde, bitte, wie kommt man zu Kostenübernahme für Physiotherapie für eine Fußfehlstellung (Orthopädin sagt "suchen Sie sich halt", Mutter ist überfordert) für eine 10-jährige Schülerin, die sonst keine Diagnose hat?
Ich kann nicht glauben, dass die Eltern das völlig selber bezahlen müssten. Sie können sich PT-Einheiten zum Preis von 90 Euro pro Einheit niemals leisten.“
Hier werden die Eltern wieder mal völlig sich selbst überlassen.
Es kamen genügend Tipps zusammen inklusive eines kostenfreien Physio-Angebots!
Keine kostenlose Therapie, keine Sozialberatung
Eine zugezogene Familie, deren Kind fast seit Lebensbeginn in der Heimat Therapie erhalten hatte, kennt sich im heimischen Behörden- und Therapiedschungel nicht aus und bittet um Hilfe (Original auf Englisch, Übersetzung Irene Promussas):
I am looking for insurance covered therapies for my son, 8 years old Down Syndrome + ADHD (ergotherapy, ABA and Speech and Language)
„Wir (Familie mit 3 Kindern, 8, 6 u 4 Jahre alt) leben seit 14 Monaten in Österreich. Unser 8-Jähriger hat Down Syndrom und ADHS und hat in seiner Heimat seit seinem 3. Lebensmonat Therapie bekommen. In Österreich finden wir keine kostenfreie oder günstige Therapie. Bei 3-4 Wochenstunden, die er benötigt, können wir keine 80-90 Euro pro Stunde zahlen. Wir schaffen 20 Euro pro Stunde. Er bekommt die erhöhte Familienbeihilfe, aber kein Pflegegeld, das wurde abgelehnt. Er geht in eine Regelschule mit I-Platz und in den Hort, für den wir 210 Euro im Monat zahlen. Er spricht und versteht Deutsch sehr gut.
Ich habe mehrmals bei VKKJ angefragt, aber keine Antwort bekommen. Außerdem habe ich bei der Autistenhilfe nach ABA Therapie gefragt, von dieser habe ich nur eine Liste mit weiteren Tipps bekommen, die ich versuche abzuarbeiten. Ich selber bin neu hier und verstehe Deutsch nicht sehr gut, ebenso wenig wie das Gesundheitssystem. Wir sind dankbar für Therapietipps, vorzugsweise vielleicht von einer NGO, die kostenfrei oder günstig Therapien für Kinder mit Behinderungen anbietet.“
Kinderärzt *innen berichten
Verpasste Entwicklungszeiten
Im Alter von 9 Monaten kommt Anton in Krisenpflege, dann zu Pflegeeltern, die schon einen leiblichen Sohn haben. Anton entwickelt sich langsamer als andere Kinder. Die Pflegemutter versucht monatelang vergeblich eine multidisziplinäre Diagnostik in einem der 7 Ambulatorien für Entwicklungsdiagnostik und -förderung in Wien zu organisieren, erhält nach einem Fehlversuch und weiteren 4 Monaten schließlich bei einer Ärztin, mit der sie gut vernetzt ist, einen Termin und im Anschluss, nach einer Wartezeit von insgesamt 11 Monaten heilpädagogische Therapie für das Kind, sowie Elternbegleitung. Nach einer 3-monatigen Therapiephase, in der Anton gute Fortschritte macht, kommt es aufgrund von Therapeut*innenmangel zu einer Therapiepause auf unbestimmte Zeit, obwohl sich die Bedingungen im Umfeld gerade schwierig gestalten. Die Pflegeeltern brauchen Unterstützung, damit es ihnen gelingt, ihr Pflegekind liebevoll in seiner Entwicklung zu unterstützen.
Diagnose/Medizinisch-therapeutische Problemstellung
- Kombinierter Entwicklungsrückstand
- Traumastörung
- Verdacht auf Fetale Alkoholspektrumstörung
- Unterbringung in Pflegefamilie, belastetes Umfeld
Was braucht Anton? Was brauchen seine Eltern? Was brauchen die Behandler*innen?
- Anton: Regelmäßige angepasste Entwicklungsförderung – Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie und einen Integrationskindergartenplatz
- Pflegeeltern: Beratung mit Entwicklungsbegleitung, strukturiert von Beginn der Pflegschaft an
- Behandler*innen: Netzwerk-Kooperationspartner*innen
Fremd und schlecht versorgt
Farah wird 2011 in Syrien geboren. Die Familie kommt 2015 in einem kleinen Boot über das Meer und flüchtet nach Wien. Der Vater war Lehrer für Arabisch und Englisch, die Mutter Hausfrau. Die Familie bekommt rasch Asyl und lebt in einer kleinen Wohnung. Der Vater ist in Wien arbeitslos und macht einen Deutschkurs. Die Mutter ist zuhause, depressiv, adipös und kann kein Deutsch. Sie sieht mit Farah, wenn diese von der Schule heim kommt, mehrere Stunden täglich fern. Kreative oder sportliche Freizeitaktivitäten unternimmt die Familie nicht.
Bei der Erstuntersuchung mit 3 Jahren hat Farah schon 20 kg. Die Kinderärztin versucht, soweit aufgrund der Sprachbarriere möglich, intensiv und wiederholt Ernährungsberatung zu leisten und schlägt diverse Sportmöglichkeiten vor. Trotzdem nimmt Farah kontinuierlich zu. Bei der Einschulung hat sie 45 kg.
Diagnose/Medizinisch-therapeutische Problemstellung:
- Traumatisierung
- Adipositas,Fehlernährung
- Medienabusus
- Soziale Belastung
Was braucht Farah? Was brauchen ihre Eltern? Was brauchen die Behandler*innen?
- Farah: Kostenfreie Bewegungs- und Sportprogramme
- Eltern: Dolmetschgestützte Elternberatung in Bezug auf Ernährung, Bewegung, Medienkonsum, muttersprachliches Familiencoaching, Gesundheitslotse
- Mutter: Kostenfreie Traumatherapie und Sportangebote
- Behandler*innen: bezahlte ZEIT, Dolmetschbegleitung, Netzwerk-Kooperationspartner*innen, Gesundheitslotse, Gesundheitspass
Ein Familienschicksal
Nicole zeigte schon im Kleinkindalter Entwicklungsauffälligkeiten, vor allem in Kommunikation und fehlender Kontaktaufnahme. Sie wird für längere Zeit zur Großmutter nach Serbien geschickt, auch weil die Mutter wieder schwanger ist. Die Mutter spricht wenig deutsch, braucht für Diagnose- und Förder-Mitteilungen einen Dolmetscher. Der Vater verdient den Unterhalt, arbeitet viel im Mindestlohnbereich, ist selten zuhause. Die Mutter des Vaters macht der Mutter Vorwürfe, dass sie Schuld an der abweichenden Entwicklung von Nicole hat. Das zweite Kind wird als late preterm-Frühchen in Wien in das Wiener Netzwerk Entwicklungsbegleitung aufgenommen. Der Bub zeigt von Beginn an Auffälligkeiten, erst motorisch aufgrund einer mäßigen Muskelhypotonie und langsamen motorischen Entwicklung, dann wird eine tiefgreifende Entwicklungsstörung immer deutlicher. Der kleine Michael erhält erst Physiotherapie, dann autismusspezifische Therapie bei einem Ergotherapeuten, 1 x/Woche. In der Zeit der Abklärung kommt Nicole aus Serbien zurück, erhält die Diagnose frühkindlicher Autismus, ein Kindergartenplatz für die inzwischen schon 4-jährige Nicole wird gesucht. Obwohl für sie nach einjähriger Wartezeit ein Platz in einer heilpädagogischen Gruppe gefunden wird, kann sie wegen ihrem herausfordernden Verhalten nur 1 Stunde/Tag dort bleiben. Der Übergang in eine Schule gestaltet sich sehr schwierig. Auch dort darf/kann Nicole nicht einen ganzen Vormittag bleiben. Sie selbst reagiert in überfordernden Situationen aggressiv, ihre Mutter depressiv, beide werden zunehmend adipös. Aufgrund des hohen häuslichen Betreuungsbedarfs kann die Mutter keine eigene Therapie in Angriff nehmen, sie ist nicht imstande, sich Hilfe zu organisieren, fühlt sich schuldig und will die gesamte Verantwortung alleine tragen.
Diagnose/Medizinisch-therapeutische Problemstellung:
- Frühkindlicher Autismus mit herausforderndem Verhalten, ohne Sprache
- Adipositas
Was braucht Nicole? Was brauchen ihre Eltern?
- Spezifische Autismustherapie, im besten Fall integriert in den schulischen und Hort-Alltag
- Serbisch-sprachige Beratung beider Eltern im Umgang mit dem herausfordernden Verhalten von Nicole und der Unterstützung der Eltern-Kind- Interaktion und Kommunikation
- Serbisch-sprachige Beratung zur Ernährungs- und Bewegungsbehandlung
- Sozialarbeit zur Implementierung von aufsuchender Familienhilfe und Freizeit-Assistenz für beide Kinder.
Was WENN WIR NICHTS TUN?
Über kurz oder lang zerbricht die Partnerschaft der Eltern an der Überlastung durch die Betreuung der Kinder. Die Mutter versinkt in einer Ess-Störung und reaktiven Depression, findet keine Arbeit, die auf ihre von Kindergarten und Schule geforderte flexible Bereitschaft zur Abholung der Kinder Rücksicht nehmen kann. Sie verschließt sich und ihre Kinder mehr und mehr in der Wohnung, schafft es zunehmend weniger, die Kinder adäquat in Alltag und Freizeit zu versorgen. Letztendlich wird nach einer Gefährdungsmeldung der Schule und einer längeren Phase an aufsuchender Familienbegleitung Michael in Obhut einer WG gegeben, Nicole in ein Heim für geistig behinderte Kinder mit Verhaltensstörung.
Ein Kind, das es von Staatswegen gar nicht gibt
Armin wurde auf der Flucht aus Nigeria, bei der die Mutter vergewaltigt worden war, in Italien geboren. Weitschichtige Verwandte der Mutter leben in Wien, bei denen sie illegal Zuflucht gefunden hat. Da das Einreiseland Italien war, hat die Mutter keinerlei Anspruch auf irgendeine finanzielle staatliche Hilfe in Österreich. Erst, wenn sie eine B2-Prüfung erfolgreich absolviert hat, darf sie sich in Österreich melden und ihr Antrag auf Aufenthaltserlaubnis wird bearbeitet. Für private Deutschkurse haben ihre Verwandten kein Geld, sie versorgen die Mutter mit dem Nötigsten zum Leben. Armin erhält bei akuten Erkrankungen (Fieber,…) medizinische Betreuung über die NGO Amber-Med. Für die empfohlenen Gratis-Impfungen geht die Mutter zuverlässig in die Elternberatungen der Kinder- und Jugendhilfe Wien. Sie kommuniziert mit den Sozialpädagogen und Ärztinnen mäßig gut auf Englisch, zeigt sich liebevoll im Umgang mit Armin. Ab dem Alter von 18 Monaten wird Armin auffällig in Interaktion und Kommunikation. Er hört nicht auf seinen Namen, hält keinen Blickkontakt, folgt keinen Zeigegesten, schreit, wenn man ihn anfassen will, spielt stereotyp immer wieder mit demselben Material.
Diagnose/Medizinisch-therapeutische Problemstellung
- Entwicklungstraumastörung mit Anzeichen von autistischen Verhaltensweisen
Was braucht Armin? Was brauchen seine Eltern?
- Zugang zur Krankenversicherung und damit Zugang zu kompetenten kostenfreien diagnostischen Einrichtungen mit Versorgungsmöglichkeiten
- Heilpädagogische Entwicklungsbegleitung bzw. Eltern-Kleinkind-Therapie als diagnostisch-therapeutische Phase
WAS PASSIERT, WENN WIR NICHTS TUN?
Autistische Verhaltensweisen verfestigen sich, die Mutter-Kind-Interaktion wird mehr und mehr beeinträchtigt. Die Mutter kann das Kind in keine Fremdbetreuung geben, kann selbst keine Deutschkurse besuchen. Sie wird in Österreich keinen Aufenthaltsstatus erlangen können, kann aber auch nicht alleine ohne familiären Rückhalt mit dem verhaltensauffälligen Kind in ein anderes Land reisen, wo sie für ihr Kind und sich sorgen kann. Sie wird in der Illegalität bleiben müssen, ihr Kind wird in den entscheidenden frühen Kinderjahren keine Chance auf Entwicklungsunterstützung erhalten. Der weitere Verlauf ist völlig unklar, jedoch werden Eingliederungsversuche von Jahr zu Jahr mit wachsenden Kosten für die Gesellschaft, den österreichischen Staat verbunden sein. Wenn Mutter und Kind in die ursprüngliche Heimat der Mutter abgeschoben werden, werden beide als Außenseiter*innen nicht lange seelisch-geistig-körperlich überleben.
Wer trägt die Verantwortung?
Martin wird im Februar 2018 in Wien per Sectio geboren. Schon präpartal ist ein großer abdominaler Tumor festzustellen. Postpartal wird eine riesige lymphatisch dominierte lymphovenöse abdominal-inguinale Malformation diagnostiziert. Es wird die Indikation für eine systemische Therapie mit Rapamycin (Sirolimus©) gestellt. Aufgrund der zu erwartenden Immunsuppression Grad 2-3 ist gemäß den Empfehlungen des Österreichischen Impfplans zusätzlich zu den Impfungen des Gratisimpfkonzepts die Gabe von Impfungen gegen Meningokokken B und ACWY indiziert. Die Chemotherapie sollte bei stationärem Tumorbefund nach Komplettierung der Impfungen erfolgen.
Die Bewilligung der Impfungen wird von den Chefärzt*innen der WGKK mehrfach abgelehnt, da diese nicht für Prävention zuständig seien. Von der Magistratsabteilung 15 werden die Impfungen nicht übernommen, da sie kein Bestandteil des Gratisimpfkonzeptes sind. Die Durchführung der Impfungen in der Spitalsambulanz wird ebenfalls abgelehnt. Die Impfungen werden von der Kinderärztin dennoch verabreicht, um bei dem riesigen exulzerierenden blutenden Tumor die Therapie nicht weiter hinauszuzögern. Erst nach wiederholt drängenden, zeitaufwändigen Telefonaten mit einem Chefarzt bei der WGKK kann „ausnahmsweise“ eine „Einzelfallbewilligung“ erreicht werden.
Diagnose/Medizinisch-therapeutische Problemstellung:
- "Risikokind“ mit abdominalem Tumor vor immunsuppressiver Therapie
Was braucht Martin? Was braucht die Familie? Was brauchen die Behandler*innen?
- Unbürokratische Bewilligung indizierter Impfungen laut Österreichischem Impfplan
- Klärung und Einigung der Finanzierung von nicht im Impfkonzept enthaltenen Impfungen für Risikokinder durch Bundesministerium, Hauptverband der Sozialversicherungen/Gebietskrankenkassen, Oberster Sanitätsrat, Länder- und Spitals Landesräte und MA 15
Was mehr Zeit in der Beratung bedeuten kann
Mario ist mit 3 Jahren stark übergewichtig. Pädagogin und Inklusive Elementarpädagogin führen mehrere Gespräche, involvieren die Kindergartenärztin. Bis dahin nimmt er weiter zu. Mario hat einen Bruder im autistischen Spektrum mit ADHS- Symptomatik, der einen Großteil der Aufmerksamkeit der Mutter bekommt, bekommen muss. Zu einem Bewegungsangebot in einem entfernten Kindergarten schafft sie es nicht. Eine völlige Überwachung der Ernährung hat sie bisher auch nicht geschafft. Das Angebot einer Adipositas-Kinder-Reha kann sie nicht annehmen, weil sie keine 2. Begleitperson für den Bruder aufstellen kann.
Für das nächste Beratungsgespräch kann sich die Ärztin, die eine Fortbildung als Adipositastrainerin gemacht hat, viel Zeit nehmen. Verschiedene Möglichkeiten im Alltag werden erwogen und diskutiert. Die Belastung der Mutter wird wahrgenommen. Im Anschluss wird eine Anbindung an die Kinder-Jugendhilfe ins Auge gefasst.
Ein Jahr später besucht die Ärztin wieder den Kindergarten. Die Pädagoginnen meinen, der Bub ist weiterhin adipös. Die Ärztin vergleicht den BMI und sieht eine deutliche Absenkung. Sie gratuliert der Mutter und fragt nach ihren Maßnahmen. Es stellt sich heraus, dass die Mutter viele Tipps aus dem Gespräch im Alltag umgesetzt hat inklusive einer Taekwondo-Gruppe 3 x/Woche Der Motor war die entstandene Beziehung mit der Ärztin, der bewirkt hat, dass sich die Mutter auf den Weg gemacht hat. Auch die Begleitung durch mobile Dienste der Kinder- und Jugendhilfe haben zur Stabilisierung der Familie beigetragen.
Was braucht es?
- ZEIT und personelle Ressourcen
- Eine gute Ausbildung
- Leistbare wohnortnahe Bewegungsangebote
Wo sich die Katze in den Schweif beißt
Emilia, 5 Jahre, Autismus (Sprache: lautieren, Kognition: Intelligenzminderung), hat seit einem Jahr Diabetes Typ 1 und sollte im letzten, verpflichteten Kindergartenjahr einen Kindergartenplatz bekommen, aber die Suche wird durch den Diabetes sehr schwierig. Für diesen Fall mit mehrfachem 1:1 Betreuungsbedarf über den Vormittag hinweg gibt es keine Gruppe, die sich das zutraut. Das Kind wird trotzdem zugewiesen. Lösung am Standort: Emilia darf erst eine halbe Stunde, nach ein paar Wochen 45 Minuten und im 2. Halbjahr eine Stunde lang die Gruppe besuchen. Manchmal geht es gut, dann möchte sie länger bleiben, manchmal reichen ihr mehr als 5 Personen im Raum, um sie zu irritieren und sozioemotional zu überfordern. Die Mutter hat weiter keine Möglichkeit, arbeiten zu gehen. Kassentherapien, halbwegs wohnortnahe werden keine angeboten, finanziell kann sich die Familie keine wöchentliche Therapie bei Wahltherapeut*innen leisten.
Was braucht es?
- Rasche Diagnostik
- Rascher intensiver Therapiebeginn für alle Kinder mit ASS
- Elternberatung ab Diagnostik
- Kindergartenplätze für Kinder (auch mit Kommunikationsstörungen) von Anfang an